Seit einigen Jahren sieht man immer häufiger Eltern, die ihre Kinder nicht im Kinderwagen vor sich her schieben, sondern am Körper tragen, entweder in Tragetüchern oder verschiedenen Tragehilfen vor dem Bauch oder auf dem Rücken. Bei der Entscheidung für eine bestimmte Trageform gilt es, einige Aspekte zu bedenken.

Warum überhaupt Tragen?

Fragt man einen Zoologen nach den Bedürfnissen eines sehr jungen Menschenkindes, erfährt man, dass Primatenjunge (dazu zählen neben den Menschenaffen auch die heutigen Menschen) „Traglinge“ sind. Im Gegensatz zu „Nesthockern“, wie z.B. neugeborene Katzen, die blind und hilflos im Nest von ihrer Mutter versorgt werden, und „Nestflüchtern“ wie z.B. Hühnerküken, die direkt umherlaufen und Futter aufpicken können, sind junge Primaten darauf ausgelegt, von ihrer Mutter oder anderen Familienangehörigen mit herumgetragen zu werden.

Da den Menschen im Gegensatz zu den Affen das Fell zum Festklammern fehlt, wurden und werden Menschenbabys im Arm und unterstützt durch Tücher, Schlingen und andere Konstruktionen am Körper mitgeführt.

Erst durch den verbesserten Straßenzustand und die öffentliche Gutheißung durch Königin Victoria von England wurde der Siegeszug des Kinderwagens ermöglicht und seither einige Generationen von Kindern durch die Straßen geschoben.

Die allmähliche Rückkehr zum körpernahen Tragen in der westlichen Welt durch alternativ denkende Eltern wurde anfangs noch belacht. Mittlerweile sind es nicht nur „Ökos“ und „Hippies„, die ihre Kinder tragen, sondern alle möglichen aufgeschlossenen Menschen, die sich und ihren Kindern etwas Gutes tun wollen.

Für wen ist Tragen geeignet?

Grundsätzlich lassen sich fast alle Babys sehr gern tragen, wenn sie es von Anfang an gewohnt sind. Es gibt nur ganz wenige Kinder, die es grundsätzlich ablehnen.
Tragen können alle gesunden Erwachsenen. Bei Rückenproblemen sind symmetrische Tragesysteme und die Rückentrageweise besonders empfehlenswert.

Vorteile des Tragens

  • „Bonding“ – enge Verbundenheit zwischen Tragendem und Kind
  • Hände frei für Hausarbeit etc.
  • Treppen und öffentliche Verkehrsmittel sind kein Problem
  • Entwicklungsfördernde Haltung des Kindes bei richtiger Trageweise (Wirbelsäule und Hüftgelenke)
  • Schulung von Körperempfinden und Gleichgewichtssinn des Babys
  • Kind fühlt sich ständig geborgen
  • ”Schreibabys” beruhigen sich
  • Körperwärme des Tragenden hält das Kind warm

Tragesysteme

Es gibt mittlerweile eine riesige Vielfalt an Tragesystemen und mehrere Tragepositionen: Vor dem Bauch, auf dem Rücken und seitlich auf der Hüfte.

Die meisten Tragehilfen, die derzeit auf dem Markt sind, lassen sich in die folgenden Kategorien einteilen:

  • Tragetuch gewebt oder elastisch
  • Babytragen („Carrier“)
  • Ringtücher („Slings“)

Die vielfältigsten Einsatzmöglichkeiten bietet das klassische gewebte Tragetuch. Mit der entsprechenden Bindetechnik lässt sich das Kind in nahezu jeder gewünschten Position tragen. Das Binden des Tragetuchs sollte unbedingt unter erfahrener Anleitung erlernt werden, um die für Kind und Träger optimalen Gewichtsverteilungen zu erzielen. Das Tuch mit einer Länge von meist 4 bis über 5 Metern ist nicht nur korrekt zu wickeln, die Falten müssen teilweise noch nachgezogen werden und die Knoten gestrafft.

Etwas einfacher gestaltet sich die Verwendung eines elastischen Tragetuchs, das Nachjustieren entfällt weitgehend.

Wem das zuviel Aufwand ist und sein Kind schnell mit nur wenigen Handgriffen sicher in der anatomisch korrekten Haltung aufgeschnallt haben möchte, ist mit einer der zahlreichen Babytragen besser beraten. Für die kleinsten Babys gibt es beispielsweise Babytragen, die mit nur 2 Klettverschlüssen eine sichere und bequeme Haltung erreichen und für Bauch- und Hüfttrageposition geeignet sind. Andere Systeme bieten gepolsterte Hüftgurte und Träger und werden mit Steckschnallen geschlossen. Sind die Gurte einmal auf die richtige Länge eingestellt, entfällt umständliches Nachjustieren. Die meisten dieser Tragesysteme sind als Bauch- und Rückentrage geeignet und auch teilweise für die seitliche Trageposition umbaubar.

Für das seitliche Tragen gedacht sind die sogenannten „Slings“, ein Stroffschlauch oder -schal mit Ring, der nur über eine Schulter des Tragenden verläuft und das Kind, zumeist mit der Unterstützung des Armes, auf der gegenüberliegenden Hüfte positioniert. Ganz kleine Säuglinge können darin auch wie in einer Art Hängematte vor dem Körper getragen werden.

Bauch- oder Rückentragen?

Gerade im Anfang, wenn das Kind noch ganz klein ist, empfiehlt sich die Bauchtrageposition, wobei nicht nur auf die anatomisch korrekte Anhock-Spreizstellung der Beine geachtet werden muss, sondern auch das Köpfchen gestützt werden soll, da das Kind es noch nicht selbst halten kann.

Das Kind sieht seine Bezugsperson und fühlt sich geborgen, und der Tragende hat das Kind jederzeit im Blick und kann schon auf kleinste Unmutsäußerungen reagieren. Außerdem lässt sich das Kind in der Bauchtrageposition bei allen Tragesystemen am einfachsten ohne fremde Hilfe auf- und absetzen. Das geringe Gewicht des Kindes lässt sich, insbesondere im direkten Anschluss an die Schwangerschaft, ohne weiteres vor dem Bauch tragen, die Rückenmuskeln des Tragenden sind in Übung und passen sich dem steigenden Gewicht an.

Unbedingt vermeiden sollte man Bauchtragepositionen, bei denen das Kind nach vorn schaut, von dem Tragenden weg. Diese Haltung ist für Rücken und Hüfte des Kindes ungeeignet, und das Kind hat nicht die Möglichkeit, wenn es „genug hat“, bei Reizüberflutung, sich abzuwenden und den Kopf an den Tragenden anzukuscheln.

Wenn das Kind älter und schwerer wird, kann man zur Rückentrageposition übergehen, was den Rücken des Trägers ungemein entlastet und das Tragen bis ins Kleinkindalter ohne Weiteres möglich macht.

Letzte Aktualisierung am 29.03.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API

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